Das BASE Jumpen und der Nationalpark

Der Konflikt

Ich bekomme gerade ein wenig Aufmerksamkeit in den Medien, für meinen Sprung von der Watzmann Mittelspitze im letzten September. Ein Teil der Aufmerksamkeit zielt dabei auf die Tatsache, dass das Springen im Nationalpark illegal ist. Die offensichtliche Frage, die sich deshalb stellt ist: wieso veröffentliche ich trotzdem ein Video von einem Sprung dort? Ich möchte im folgenden versuchen zu erklären was mich dazu bewegt hat und auf die Vorwürfe eingehen, die mir begegnet sind.

Der Naturschutzvorwurf

Ich kann dort nicht springen, schließlich ist es im Nationalpark verboten.

Ich möchte zu bedenken geben, dass der Nationalpark zum Schutz und Erhalt der Natur besteht. Wenn wir uns darüber einig sein könnten, wäre schon viel erreicht. Ein Wingsuit-Sprung hat meiner Meinung nach einen verschwindend geringen Einfluss auf die Natur. Wenn sich die Debatte tatsächlich um Bedenken bezüglich Umwelt- und Naturschutz drehen würde, wäre ich vollkommen einsichtig. Ich bin gerne in der Natur und bin froh, wenn sich um deren Erhalt gekümmert wird. Dass die Adlerhorste im Berchtesgadener Nationalpark geschützt werden sollen, steht beispielsweise gar nicht zur Debatte!

Meiner Meinung nach ist die Situation folgende: der Massentourismus macht dem Nationalpark zu schaffen (Stichwort: Königsbach Wasserfall) und er probiert mit mir ein Exempel zu statuieren. Das ist Schade, aber nachvollziehbar. Die Menschenmassen beeinträchtigen die Natur nämlich viel gravierender, als ein einzelner Wingsuitspringer. Ein sinnvoller Ansatz wäre es eher die Menschenmassen, die in den Nationalpark strömen zu reduzieren. Da stellt sich jedoch die Frage, wie man das ohne strikte Verbote bewerkstelligen könnte. Wenn ich die Wahl hätte zwischen der Watzmannüberschreitung und einer anderen vergleichbaren Gratwanderung, dann würde ich sofort lieber diejenige nehmen, die nicht so abgegriffen und überlaufen ist.

Der Selbstdarstellungsvorwurf

Ich mache das doch nur, um mich dann auf Facebook/YouTube/Instagram profilieren zu können.

Für mich steht an aller erster Stelle die Frage: mit welcher Intention habe ich den Sprung gemacht. Wenn ich nur vom Berg springe, weil ich mir davon Schlagzeilen erhoffe, dann läuft vermutlich etwas schief. Nichtsdestotrotz wäre selbst das in unserer heutigen Zeit nichts ungewöhnliches mehr. Wir Leben in einer stark individualisierten Gesellschaft, die darauf ausgelegt ist, seine Individualität nach außen hin zu präsentieren, um Anerkennung zu bekommen. Für mich standen definitiv nicht die Schlagzeilen, sondern das Abenteuer im Vordergrund. Trotzdem finde ich es Schade, wenn ich etwas, auf das ich stolz bin, vor anderen verstecken muss. Die ersten Berchtesgadener Alpinisten haben vermutlich nach ihren Gipfelbegehungen auch nicht gerade im Wirtshaus darüber geschwiegen. Aber klar, ich hätte das Video nicht veröffentlichen müssen und hätte vermutlich trotzdem keine Anerkennungsmangelerscheinungen erlitten.

Der Punkt um den es mir hauptsächlich geht ist folgender: Ich mache einen Sport, der größtenteils durch Negativschlagzeilen Aufmerksamkeit erregt – nämlich durch tragische Todesfälle. Dementsprechend ist auch eine der ersten Fragen, wenn Leute erfahren, dass ich Wingsuit BASE jumpe: „Und wie lange machst du das schon?“. Sprich: wie lange habe ich schon überlebt. Meiner Meinung nach hat Extremsport aber weitaus mehr zu bieten als die Droge des Adrenalinsüchtigen zu sein. Um diese anderen Seiten des Sports an die Öffentlichkeit zu tragen, braucht man allerdings die Aufmerksamkeit der Medien.

Hier schließt sich jetzt wieder der Kreis zu meinem Watzmannsprung: wenn ich ein Video veröffentliche mit dem Titel Wingsuit BASE Jump Rappenspitze Nordwand, dann werde ich damit keine Aufmerksamkeit bekommen. Der Watzmann und die Watzmann Ostwand ist ein legendärer Berg und ist vielen Leuten ein Begriff. Da sieht die Sache schon ganz anders aus.

Der Nachahmervorwurf

Die Bergwacht fliegt doch jetzt schon mehrmals am Tag, jetzt müssen nicht auch noch die BASE Jumper kommen und sich aus der Wand fischen lassen.

Diesem Einwand kann ich relativ leicht den Wind aus den Segeln nehmen. Die einzigen Orte auf der Welt, wo BASE Jumpen größeren Zulauf erhalten hat, sind Orte, wo die Sportler mit Seilbahn, Shuttle-Service oder Heli auf die Berge gebracht werden. Mit einer einzigen Ausnahme: Yosemite Valley in den USA. Dort gibt es keine Seilbahnen aber es wird trotzdem fleißig gesprungen, aus Mangel an Alternativen. Weil es dort jedoch verboten ist, springt man lediglich vor Sonnenaufgang bzw. nach Sonnenuntergang.

Was ich damit sagen will: die Anzahl an Leuten die überhaupt gewillt wären 4 oder 5 Stunden auf den Watzmann zu wandern um dort herunterzuspringen ist sehr gering. Wiederum wären diese Leute in der Regel um einiges erfahrener im alpinen Gelände, als so mancher Watzmannüberschreiter. Dass es irgendwann einmal zu einem Unfall kommen könnte, ist nicht auszuschließen. Eine grobe Statistik besagt, dass bei jedem 2000. BASE Jump eine Person verunglückt. Selbst bei 100 Sprüngen im Jahr am Watzmann (wovon nicht auszugehen ist), wäre statistisch gesehen lediglich alle 20 Jahre mit einem Todesfall zu rechnen.

Fazit

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Veröffentlichung des Videos definitiv polarisiert. Kurioserweise argumentieren Leute, die meine Ansichten teilen, teilweise gegen mich. So wird sich über die Touristenmassen beklagt und ich bin der Sündenbock. Wenn sich irgendjemand durch die Aktion gestört fühlt, bin ich aber gerne bereit sachlich darüber zu diskutieren. Solange das einzige Argument jedoch ist: Man darf es nicht machen, weil es ja verboten ist, dann wird es mir schwer fallen die Problematik nachvollziehen zu können.